Sehr geehrte Damen und Herren !

Vor wenigen Wochen stand ich gemeinsam mit Anthropologen in Ostafrika, in Kenia, am Ufer des Rudolfsees, der heute Turkana heißt, in einer von Vulkanausbrüchen geformten Landschaft auf den aufgetürmten Resten der Lava zwischen tief eingerissenen Schluchten, umgeben von in der Sonne ausgebleichten Knochen von Menschen und Tieren, und steinernen Werkzeugen, deren Alter mit mehr als 1,9 Millionen Jahren bestimmt werden kann. Hier in diesem Gebiet des ostafrikanischen Grabenbruchs, in dieser heute unwirtlichen, menschenfeindlichen Umgebung hat sich der Vormensch auf die Hinterbeine erhoben, hat die fruchtbaren, wildreichen Landstriche durchstreift und mit einfachen Werkzeugen seine Nahrung an den Ufern der damaligen Flüsse gefunden. Dort begann das menschliche Leben, das sich im Laufe von vielen Generationen weit nach Osten und Norden vorschob, bestehende Landbrücken überschritt und den heutigen europäischen Kontinent besiedelte. Dieser Weg aus dem Paradies war mühsam und langsam, dennoch führte er dazu, daß letztlich auch unser Tal, das Kamptal, menschlicher Siedlungsraum wurde. Doch bevor es dazu kam, war dieser Naturraum vielfältigen Veränderungen unterworfen, natürlichen Veränderungen, wie sie insbesondere das Eingangstor Natur in Eggenburg zeigt. Gesteine und Böden, Tiere und Pflanzen, Wasser und Feuer haben diese Landschaft geformt. Eine Landschaft, die geprägt ist durch den sie auch heute noch bestimmenden Fluß, den Kamp.

Kamp ist ein Flußname, der aus dem Keltischen stammt, und der "Krumme" heißt. Ein Fluß, dessen Unberechenbarkeit erst vor wenigen Tagen anläßlich der gewaltigen Überschwenmmungen wir wieder sehen konnten. Claudius Ptolemäus, der aus dem mittelägyptischen Ptolemais stammende und in Alexandria wirkende bedeutendste Astronom, Mathematiker und Geograph der Antike, kannte bereits unseren Fluß. Er nennt uns auch seine Bewohner, die Adrabai und Parmai Kampoi, also die oberen und die unteren Kamptaler. Und auch im Jahre 791 heißt es in einer Beschreibung des Awarenkrieges Karls des Großen "in loco qui dicitur Kamp quia sic nominantur ille fluvius, qui ibi confluit in Danubio", also ein Ort namens Kamp, der so heißt wie der Fluß und der an der Stelle lag, wo dieser Fluß in die Donau mündete.

An den Ufern und den benachbarten Höhen und den sie umgebenden Tallandschaften dieses Flusses siedelten Menschen seit mehr als 30.000 Jahren. Sie haben diese Naturlandschaft geformt, verändert und zu der gemacht, wie sie sich uns heute präsentiert. Einer Kulturlandschaft, die schon vor mehr als 100 Jahren das Interesse der Wissenschaft erweckte. Aber nicht nur Wissenschaftler waren es, denen wir die Kenntnis über die Bedeutung dieser Landschaft verdanken, sondern Bewohner, Laien und Fanatiker, waren die Entdecker, denen wir manche unserer Kenntnisse verdanken. Candidus Pontz, Reichsritter von Engelshofen, dessen Sammlungen heute auf der Rosenburg zu besichtigen sind, Johann Krahuletz, dem die Bürger und die Stadt Eggenburg ein eigenes Museum erbaut haben, und Josef Höbarth, dessen Sammlungen die Stadt Horn ein Museum widmete, seien hier beispielgebend genannt. Hier im Museum in Horn wurde in einem architektonisch überaus interessanten Zubau das Eingangstor Kultur eingerichtet, das zur Auseinandersetzung mit entscheidenden Abschnitten der kulturellen Entwicklung anregen soll. Auch das Heimatmuseum in Langenlois blickt auf eine lange Tradition zurück, wurde doch hier im Grubgraben in Kammern bereits durch den Wissenschaftler Gundaker Graf Wurmbrand bereits 1870 der erste altsteinzeitliche Siedlungsplatz entdeckt, eine Fundstelle, die in den letzten Jahren intensiv untersucht wurde und der auch eine kleine Ausstellung in Hadersdorf am Kamp gewidmet ist. In Langenlois selbst, im Ursinhaus, wird das tägliche Leben und die Auseinandersetzung mit der Umwelt in Form von lebensgroßen Dioramen als Einführungstor zum Menschen des Kamptales in der in umgebenden Umwelt dargestellt.

Von besonderer Bedeutung, nicht nur für die Geschichte und hier für die älteste Geschichte des Kamptales, war der Bau einer Bahnlinie in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts, die dieses Tal in seiner gesamten Nord-Süd-Erstreckung erschloß. Damit ersetzte die Kamptalbahn jene uralten Straßen und Saumpfade, die die überschwemmungsgefährdeten Talniederungen mieden und lediglich den Fluß querten. Nicht nur steinerne Zeugen, wie die Brücke beim Tettenhengst im Gemeindegebiet von Schönberg am Kamp und der Kalvarienbergweg sind letzte Zeugen davon, sondern auch die Bestätigung eines Schenkungsbriefes aus dem Jahre 902, in dem der slawische Fürst Josef Bischof Waldo von Freising in Stiefern Grund und Boden schenkt. Gemeinsam mit ihrem Gefolge, bestehend aus Slawen und Bayern, umreiten sie dieses Gebiet, das von der Gabelung des Stiefernbachtales bis zur Hochstraße, wohl bei Thürneustift, reicht.

Die Raffelstetter Zollordnung aus den Jahren 904 bis 906, die den Handel in den bayrischen Ostlanden regelt, kennt unsere Kamptaler nicht. Für sie sind es Rugier, weil dort nach der in Passau erhalten gebliebenen Lebensbeschreibung des Heiligen Severin Rugier gelebt haben. Diese Rugier wurden zwar bereits im ausgehenden 5. Jahrhundert vom letzten römischen Heer unter dem Germanen Odoaker und seinem Bruder Hunwulf vernichtend geschlagen und vertrieben, aber ihr Name wurde einfach auf die neu hinzugekommene Bevölkerung, Slawen aus dem Mährerreich, übertragen. Diese Slawen waren Angehörige eines kleines Fürstentums, das zwischen dem fränkischen Reich im Westen und dem Mährerreich im Osten eine Art Pufferstaat bildete und, wie uns die Ausgrabungsfunde von der Schanze und Holzwiese in Thunau zeigen, beste Beziehungen zu beiden Seiten hatte.

Hoch über dem steilabfallenden Felsen bei Thunau am Kamp in der Marktgemeinde Gars liegen die heute teilweise aufgeforsteten Ackerböden, auf denen vor allem Josef Höbarth so manche Funde bergen konnte, ein Mann, dessen unbändige Sammelleidenschaft ihm den Spitznamen "Boana-Sepp" eingetragen hatte. 1964, noch als junger Student, kam ich das erste Mal an diesen Platz. Der damalige Leiter der ur- und frühgeschichtlichen Abteilung des Niederösterreichischen Landesmuseums, Franz Hampl, und mein Lehrer Herbert Mitscha-Märheim meinten, daß eine Grabung, und zwar ein Schnitt durch den Wall der Schanze, überaus wichtig wäre, um Gewißheit zu haben, um was es sich hier eigentlich handle. Leichtfertig nahm ich dieses Angebot an, nicht ahnend, daß ich die nächsten 25 Jahre jeweils mehrere Monate in Hitze, Regen, Hagel und auch Schnee auf diesem Platz verbringen würde, um die Geschichte dieser Landschaft zu erforschen. Unzählige Mitarbeiter, Studenten aus Österreich, Deutschland, Großbritannien, Frankreich, Australien, Neuseeland, Spanien, Italien, Ungarn, Polen und der ehemaligen Tschechoslowakei unterstützten meine Forschungsarbeiten und prägten auch das Bild im Garser Bad, wenn sie verschwitzt und schmutzig die Warmwasserbrausen als einzige Reinigungsmöglichkeit benützten. Ohne der tatkräftigen Mithilfe der Gemeindeväter von Thunau, sie brachten uns im ersten Jahr auch ein Faß Bier, und der Gemeinde Gars und vieler hier angesiedelter Betriebe, die uns stets hilfreich zur Seite standen, wäre die Arbeit nicht gelungen. Die mehr als 50.000 Fundposten zeigen wie ergiebig dieser seit mehreren Jahrtausenden besiedelte Fundplatz war und ist. Viele der heute im Wirtschaftsleben stehenden jungen Männer aus der Umgebung von Gars haben in diesen Jahren noch als Jugendliche beim Scherbenwaschen und Beschriften ihr erstes Geld verdient und so manche Fahrräder und Mopeds wurden durch diese Mithilfe bei den archäologischen Ausgrabungen finanziert.

Danken möchte ich in diesem Zusammenhang besonders meinem harten Grabungskern, bestehend aus Margit Bachner, Fritz Bock, Brigitte Cech, Falko Daim, Veronika Holzer, Anton und Daniela Kern, Martin und Sandra Krenn, Hubert Kühler, Beate Lethmayer, Michaela Lochner, Gertraud Lohner, Erik Szameit, Johannes Tuzar, Gerhard Trnka, Barbara Wewerka, und nicht zuletzt und besonders meiner Frau. Ich habe sie absichtlich in alphabetischer Reihenfolge gebracht, weil alle wesentliches beigetragen haben. Sie haben nicht nur dazu beigetragen, daß diese Arbeiten durchgeführt werden konnten, sondern haben auch in den letzten Jahren selbständige eigene Forschungen, mittlerweile als fertige Absolventen des Studiums der Ur- und Frühgeschichte, an verschiedenen Orten unseres Kamptales durchgeführt. Ich möchte hoffen, daß es der Marktgemeinde Gars am Kamp gelingt, ihr Vorhaben, das alte Badhaus zu sanieren und hier eine, modernen Ansprüchen entsprechende Grabungsdokumentations- und Informationsstelle für den Besucher der Befestigungsanlagen auf der Schanze und Holzwiese zu schaffen. Die Rekonstruktion des vor mehr als 10 Jahren wieder errichteten Südtores und die Auslegung des Grundrisses der von uns entdeckten ältesten romanischen Kirche nördlich der Donau waren ein guter Anfang. Hoffen wir, daß es nicht nur dabei bleibt.

In diesem Kreis meiner Mitarbeiter wurde gemeinsam mit dem Historikern Herwig Wolfram und Karl Brunner und dem Paläontologen Fritz Steininger die Idee geboren, die Untersuchungen über den Fundplatz hinaus auf den gesamten Bereich des unteren und mittleren Kamptales einschließlich des Manhartsberges auszudehnen. Eine Projektstudie, die wir der österreichischen Rektorenkonferenz 1983 vorlegten, wurde beim Fonds zur Förderung der wissenschaftlichen Forschung zur Finanzierung eingereicht und ab dem Jahre 1985 auf fünf Jahre genehmigt. Dank der bisherigen Unterstützungen durch die niederösterreichische Landesregierung, das Bundesdenkmalamt und das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung sowie der Bereitstellung eines Betrages von etwa 30 Millionen Schilling verteilt auf 5 Jahre durch den Fonds war es nun möglich, gleichsam in einer Gesamterfassung die Geschichte des Kamptales zu erforschen. Mehr als 60 Wissenschafter aus den verschiedensten Bereichen der Geistes- und Naturwissenschaft waren daran beteiligt. Die Fliegerdivision des Österreichischen Bundesheeres, die Geologische Bundesanstalt und die Bundesanstalt für Meteorologie und Geodynamik waren ebenfalls mitbeteiligt.

Dieser massive Einsatz von Geld und Personen sollte nicht nur wissenschaftlich neuen Erkenntnissen dienen und ihrenNiederschlag in zahlreichen Publikationen finden, sondern auch in geeigneter Form den Bewohnern des Kamptales zum Nutzen sein. Abt Bernhard Naber war es, der uns aufforderte, eine neue Anstrengung zu unternehmen, um eine bleibende  Einrichtung zu schaffen, deren Ziel nicht eine einmalige Ausstellung an einem Ort sein sollte, sondern eine Einrichtung, die die Gesamtheit von Natur, Mensch, Umwelt und Kultur in einer Region in ihrer Landschaft und an ihren Orten des Geschehens zeigen sollte. Mein Freund und Kollege, der Eggenburger Fritz Steininger, dessen Verbundenheit mit dieser Region ihn zum Motor der Krahuletz-Gesellschaft werden ließ, Abt Bernhard Naber und ich haben Möglichkeiten gesucht, diese Idee zu verwirklichen. Das was diese Väter an Ideen eingebracht haben, haben letztendlich die Mütter des Kulturparks in die Tat umgesetzt. Heidi Haslinger, Elisabeth Blitzka und Jutta Gröschl haben mit Geduld, Ausdauer und Elan es geschafft, nicht nur alle Gemeinden zu motivieren, sondern auch durch stetigen Einsatz das zu schaffen, was Ihnen als erster Abschnitt dieses Kulturparkes präsentiert werden kann.

Ich glaube, es ist ein guter Anfang gemacht, und wir hoffen, daß es so weiter geht und daß es in den nächsten Jahren möglich ist, noch viele interessante Dinge aufzudecken, aufzubereiten und Ihnen zur Entdeckung anzubieten. Nutzen Sie die Themenwege und die sonstigen Einrichtungen zu Fuß, mit dem Rad, per Pferd oder Auto. Lernen Sie die Vergangenheit in ihrer Vielfalt zu verstehen und schöpfen Sie daraus Kraft. Wie sehr Vergangenheit und Gegenwart miteinander lebendig existieren, sehen Sie hier in Altenburg, wo das alte Kloster neben der "alten Burg" errichtet, verschüttet, überbaut, von den Archäologen wieder ausgegraben und Ihnen heute wieder zugänglich gemacht ist.